Wer kennt das nicht: Der Fingersatz für ein Klavier-Stück oder für eine Tonleiter passt nicht, fühlt sich nicht gut an. Oder es fühlt sich gut an, aber woher willst du wissen, dass es der richtige ist? Oder vielleicht ist kein Fingersatz gegeben, und du musst dir selbst einen Fingersatz erarbeiten – aber wie?
In diesem Artikel erzähle ich dir alles, was du über Fingersätze wissen musst, zusammengefasst in 12 Tipps. Dabei nutze ich die Standard-Nummerierung der Finger für Klavier/Keyboard/Akkordeon:
Wenn du Fingersätze speziell für Akkorde/Dreiklänge suchst, könnte dich folgender Artikel interessieren:
⮕ Fingersätze für alle Dur- und Moll-Akkorde (mit PDF)
1. Es gibt nicht DEN RICHTIGEN
Jeder Mensch ist unterschiedlich. Insbesondere gibt es grössere und kleinere Hände und das Phänomen namens Vorlieben. So wird ein bestimmter Fingersatz für eine Person der perfekte sein und für eine andere gar nicht funktionieren.
2. Der KONTEXT muss mitreden
Es ist unmöglich zu sagen, dass für einen bestimmten Ton oder einen bestimmten Akkorde dieser oder jener Fingersatz perfekt ist. Es kommt darauf an, was in den Noten vorher und in den Noten nachher passiert.
Wenn du zum Beispiel die Tonleiter mit der rechten Hand nach oben spielst und beim Ringfinger bist, kommt es drauf an, wie weit die Tonleiter noch geht: Wenn sie nur noch einen Ton weiter nach oben geht und dann wieder runter, dann solltest du den kleinen Finger nehmen, sonst machst du zwei Daumenuntersätze zu viel (siehe Tipp #11 unten). Wenn die Leiter noch weiter nach oben geht, solltest du den Daumen nehmen, sonst wirst du springen müssen (siehe Tipp #7 unten).
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3. Fingersätze sind Vorschläge
Fingersätze, auch wenn sie in Klassik-Noten stehen, oder von einem teuren Klavierlehrer geschrieben wurden, sind nicht heilig. Es sind Vorschläge. Wenn du merkst, dass ein Fingersatz für dich nicht passt – verwerfe ihn und mach einen (für dich) besseren. Ein Fingersatz ist gut, wenn er alle Kriterien erfüllt, die wir in diesen 12 Tipps diskutieren. Anders gesagt: Wenn du mit dem Wissen, das du hier findest, einen Fingersatz hast, der sich nicht angenehm anfühlt, dann gibt es bestimmt einen besseren.
4. Stop! Innehalten…
Bevor du anfängst, eine Passage zu üben – d.h. wiederholt, mehrmals spielen, gilt es den Fingersatz zu prüfen. Spiel die Phrase langsam und achte dabei auf den Fingersatz, den du nimmst – Welche Finger nutzt du automatisch? Macht das Sinn? Fühlt sich das gut an?
Wenn du merkst, dass dein «automatischer» Fingersatz an gewissen Stellen nicht der optimale ist, dann notiere dir unbedingt den besseren Fingersatz.
Merke: Fingersatz immer von Anfang an erarbeiten.
5. Dabei bleiben, bitte
Tue dir selbst den Gefallen: Achte besonders am Anfang deines Übungs-Prozesses darauf, dass du deinen neuen Fingersatz auch einhältst! Denn der Sinn dieser ganzen Übung ist, dass deine Hände automatisch die richtigen Finger nehmen für die Tasten, die du anspielst.
Wenn du nicht bewusst (durch üben) den optimalen Fingersatz automatisierst, dann wird sich automatisch ein suboptimaler (ein anderes Wort für schlecht) Fingersatz installieren und du wirst Mühe haben, ihn später durch einen besseren zu ersetzen.
6. Was für «zwischendurch»
Manchmal beobachte ich Schüler*innen, die beim Lesen von Noten oder beim Ausprobieren einer Akkordfolge, offensichtliche Fingersatz-Fehler machen. Wenn ich sie darauf hinweise, sagen sie so etwas wie «Ich bin ja nicht richtig am spielen, ich schau nur kurz [etwas]».
Das Problem ist, dass beim «nur noch schnell was ausprobieren» auch motorische Muster eingeprägt werden. So werden auch üble Fehler eingeübt, ohne dass man es bös gemeint hat. Es lohnt sich also, durchgehend (auch beim «nur schnell») die Fingersatz-Regeln zu beachten, insbesondere die Regeln in Bezug auf die Haltung der Hand und die Bewegung der Finger (Tipps #7 und #8).
Die gute Nachricht ist, dass du diese Zwischendurch-Momente dafür nutzen kannst, um zu schauen, wie deine Automatismen sind. Das, was du beim «nur schnell…» mit den Fingern machst ist das, was bei dir eingeprägt ist. Beobachte es. So kennst du deine Ausgangslage und weisst, was du noch zu üben hast.
7. Richtig Überkreuzen
Zur Grundtechnik gehört der sogenannte Daumenuntersatz. Der Daumenuntersatz ist (neben dem Springen) die einzige bewährte Technik, um die Position der Hand zu wechseln und Finger zu überkreuzen.
Wenn dir das alles noch nichts sagt, dann schau dir mein kostenfreies eBook an. Dort werden die wichtigsten technischen Grundlagen anschaulich und Anfänger-freundlich erklärt.
Dinge wie mit dem kleinen Finger über den Ringfinger übrerkreuzen solltest du nie, nie, nie machen. Es gibt keinen Grund dafür und nur Nachteile.
8. Handgelenk richtig positionieren
In meinem eBook «Klavierspiel. Die perfekte Technik in 45 Minuten» erkläre ich auch, wie die Handposition idealerweise sein soll: waagrecht und parallel zur Klaviatur.
Insbesondere beim Daumenuntersatz machen viele Anfänger*innen eine Handdrehung. Dies ist in dem Moment zwar nicht schlimm – fühlt sich sogar bequemer an –, aber mit der Zeit bereuen es alle. Denn jede unnötige Handbewegung verlangsamt dich. Sobald du eine schnellere Melodie spielst, werden alle (im langsamen Spiel unbemerkt eingeübten) Handdrehungen zu Stolperfallen.
9. Möglichst nicht springen
Manchmal braucht es Sprünge. Manchmal gibt es keine andere Möglichkeit, als die Hand wegzunehmen und in eine andere Lage zu verschieben. Manchmal macht ein Sprung auch klanglich nichts, wenn du z.B. staccato spielst.
Grundsätzlich gilt jedoch: Die Hand möglichst wenig bewegen. Das ist möglich, wenn du dir deine Fingersätze vorausschauend überlegst. Verschiebe die Hand nur, wenn es wirklich nötig ist.
10. Pedal als Plan B
Manchmal willst du Töne binden (legato spielen) und kriegst trotzdem keinen Fingersatz hin, ohne springen zu müssen. Glück hast du, wenn es in einem Stück passiert, welches mit Pedal gespielt werden kann. Dann kannst du die Sprünge mit dem Pedal kaschieren.
11. Daumen auf Weiss
Gerade wenn du Tonleitern spielst, merkst du wahrscheinlich, dass schwarze Tasten eher weit «hinten» sind, als die weissen. Das ist logisch, weil sie ja kürzer sind und nicht bis zur Kannte kommen. In der ruhenden Handposition ist dein Daumen ein «schwarzer» Finger: Er ist kürzer, als die anderen und kommt weniger weit nach hinten. Deswegen macht es Sinn, wann immer möglich, die schwarzen Tasten eher mit den anderen Fingern anzuschlagen und den Daumen für die weissen Tasten zu lassen.
Beispiel: Fingersatz für H-Dur Tonleiter
H | C# | D# | E | F# | G# | A# | H |
---|---|---|---|---|---|---|---|
1 | 2 | 3 | 1 | 2 | 3 | 4 | 1 |
12. Oktaven berücksichtigen
Dies gilt insbesondere für Tonleitern, aber auch für andere, sich wiederholende Phrasen. Verteile die Finger immer so auf die Tasten, dass jede Oktave den gleichen Fingersatz hat. Wenn du also eine Dur-Tonleiter spielst, wirst du meistens den Fingersatz 1231234 nehmen. So wird jede Oktave den gleichen Fingersatz haben. Auf diese Art stellst du sicher, dass du nur 7 Töne richtig mit Fingern belegen musst und nicht 14, 21 oder mehr…
Hast du Fragen? Schreib unten einen Kommentar. Ich helfe dir gerne weiter.
Hallo – Du hast ein pdf mit allen Moll und Dur Tonleitern. Meine Datei ist weg. Könntest Du zuschicken – auf Deiner Seite finde ich nur die Akkorde, danke Hans
Mache ich gleich.
Im Beispiel -11- sollte die letzte H-Taste mit dem 5. Finger gespielt werden, es sei denn, die Tonleiter wird fortgesetzt. Tonleitern sollte man m.E. immer rauf und runter spielen, wenn`s geht jeden Tag und alle Tonleitern: das übt ungemein
*Zustimmendes Nicken*
Hallo! Bei Tipp Nr. 12 ist da gemeint "von links nach rechts nehmen wir 321 der linken Hand und 1234 der rechten Hand"? Sorry, das "123" am Anfang wäre ja mit der linken Hand mit dem Handrücken nach unten??
Genau. 1234… ist für die rechte Hand gemeint. Und für die linke dem entsprechend spiegelverkehrt, meistens 54321321.