Du willst Klavier lernen, bist aber nicht sicher, ob du es als Autodidakt – d.h. selber – lernen kannst oder ob es besser wäre, Klavierunterricht zu nehmen. Kurz gesagt, es kommt auf deinen Wissensstand, deinen Lebensstil und deinen Charakter an. Im folgenden erzähle ich dir je drei Gründe dafür und drei Gründe dagegen und du bist danach hoffentlich in der Lage, eine fundierte Entscheidung zu fällen, ob Klavier selber lernen für dich sinnvoll ist.
Was spricht dafür? Drei Gründe zum Klavier selber lernen
Klavier selber lernen ist günstiger
Das nötige Wissen in Form von Büchern, Videos, Online-Kursen etc. kostet ein paar hundert Euro. Die Präsenz einer echten Person kostet, je nach Kursdauer, eher ein paar tausend Euro.
Klavier unabhängig lernen
Für viele ist es wichtig, ortsunabhängig dran bleiben zu können oder im eigenen Tempo und Rhythmus weiter lernen zu können. Je nach Lebensstil kann es sinnvoll sein, anstatt regelmässige Stunden, einen eigenen Plan (oder keinen Plan) zu haben, um im Klavierspiel weiter zu kommen. Du kannst einfach ein Buch kaufen und in deinem eigenen Lerntempo Fortschritte machen.
Du bleibst du selber, auch am Klavier
Wir Lehrer geben es nicht gerne zu, aber wir sind nicht neutral. Auch wenn ich liebend gerne sagen würde, dass ich einen Schüler (oder eine Schülerin) nur unterstütze, sich selbst zu werden, einzigartig zu sein und auch so Klavier zu spielen – das wäre gelogen. Das kann kein Lehrer. Im Unterricht wird man immer «gebildet», d.h. geformt. Das ist auch gut so, denn ohne Vorbild können wir Menschen gar nicht lernen. Wichtig ist, sich ein Vorbild zu suchen, das man mit gutem Gewissen nachahmen kann und auch bewusst zu wählen, was man vom Lehrer übernimmt und was nicht.
Was spricht dagegen? Drei Gründe, einen Klavierlehrer zu suchen
Du musst dich selbst motivieren
Ein guter Lehrer wird dir jederzeit helfen, deine Motivation zu finden und zu behalten. Plus, eine Person, die nicht du selbst bist, kreiert automatisch ein Commitment. Beim Lernen von etwas Neuem ist ein Gefühl von Commitment zentral, weil du sonst immer gute Gründe finden wirst, um nicht weiterzumachen. Ohne Lehrer ist es deine eigene Aufgabe, dich zu motivieren. Es kann eine spannende Herausforderung sein, diese Fähigkeit zu lernen, oder dir ein Umfeld zu kreieren, welches dich unterstützt. Meistens wird die Kniffligkeit dieser Aufgabe unterschätzt.
Du musst dich an der eigenen Nase nehmen
Beim Klavier spielen lernen geht es unter anderem darum, Bewegungsmuster einzuüben und automatische Abläufe zu verändern. Die Gefahr dabei ist, sich etwas falsches einzuüben. Ohne Lehrer musst du immer auf der Hut sein, immer maximal reflektiert sein, damit du nur optimale Bewegungsabläufe lernst. Insbesondere bei Anfängern ist es sehr wichtig, sich gute Gewohnheiten einzuprägen, um später besser weiter lernen zu können.
Du hast kein Feedback
Nicht nur zur Korrektur oder zur Motivation, auch zur Freude am Prozess gehört für uns Menschen meistens ein anderer Mensch. Mit einem Lehrer hast du automatisch jemand, der genauso wie du an deinem Fortschritt interessiert ist, deine Erfolge mitfeiert und stolz auf dich sein kann. Ohne Lehrer wirst du dir früher oder später eine Person suchen wollen, die diese Rolle einnehmen kann. Und nur damit ich es mal gesagt habe: Der Partner bzw. die Partnerin ist nicht immer die geeignetste Person dafür.
Fazit
Für Anfänger*innen, die sich ein gutes Fundament bauen wollen, indem sie sich die richtigen Grundlagen für ein gesundes und ausdrucksstarkes Klavierspielen einüben, ist rein autodidaktisches Lernen eher ungeeignet. Das Risiko aufzugeben oder aus Versehen Falsches einzuüben ist einfach zu gross. Da lohnt es sich, immer wieder einen Profi dabei zu haben, der dich korrigieren und unterstützen kann. Für jemand, der die Grundlagen bereits hat, ist es durchaus denkbar, auf eigene Faust das Klavierspiel autodidaktisch zu verbessern und z.B. Akkorde, Komposition, Arrangement, fortgeschrittene Stücke, Skalen oder Improvisation selbst zu lernen.
Es gibt übrigens auch die Möglichkeit einer Zwischenlösung, z.B. hauptsächlich autodidaktisch zu lernen und unregelmässig Lektionen zu buchen. Du musst also nicht zwischen zwei komplett unterschiedlichen Methoden wählen, sondern kannst auch eine dir entsprechende Lösung selbst zusammenstellen.
Beachte dabei auch, dass autodidaktisch lernen heutzutage meistens heisst, Zeit vor dem Bildschirm zu verbringen. Für Menschen, die ohnehin viel Zeit im Büro verbringen könnten deswegen «offline» Klavierlektionen eine gute Abwechslung sein.