Dieser Blog-Titel hiess zuerst «damit kannst du beinahe alles begleiten» und dann habe ich das «beinahe» gestrichen. Es sind nur sechs Akkorde – genau genommen sechs Akkord-Typen – die du verstehen musst, damit du alle Lieder begleiten kannst, die es im Rock, Pop, Jazz etc. überhaupt gibt.
Der Grund dafür ist, dass Akkorde immer aus Dreiklängen bestehen, mit oder ohne Erweiterungen. Und jeden Akkord, der erweitert wurde, kann auch ohne Erweiterungen gespielt werden, ohne dass es falsch klingt. Ich kann also ein Lied, das auf den Akkorden C6 und G7 gespielt wird, mit den Akkorden C und G begleiten und es klingt wunderbar – weil 6 und 7 «nur» Erweiterungen der Akkorde sind.
Die wichtigsten Akkorde, um auf dem Klavier irgendwas begleiten zu können sind Dur, Moll, sus2, sus4, vermindert und übermässig. Lies weiter, um zu lernen, wieso du nur diese 6 brauchst, wie sie aufgebaut werden, wie du sie am schnellsten lernst und auch was du tun musst, wenn du einen unbekannten Akkord findest.
Wenn du zum Üben oder als Nachschlagewerk eine Tabelle mit diesen 6 Akkord-Typen brauchst, habe ich etwas für dich: Du kannst bei uns kostenfrei eine Grifftabelle zum Ausdrucken herunterladen, mit der du alle Varianten der 6 wichtigsten Akkorde auf deinem Klavier schnell findest.
Dur-Akkorde
Der Dur-Akkord wird einfach mit einem Grossbuchstaben und ggf. einem Versetzungszeichen (# oder b) notiert: C, G#, Bb etc. Du setzt ihn zusammen aus einer grossen Terz (4 Halbtöne) und einer kleinen Terz (3 Halbtöne). Wie du diesen Akkord zusammenstellst, erkläre ich im Detail in meinem Artikel über die Fingersätze zu den wichtigsten Akkorden.
Beispiel C-Dur:
Moll-Akkorde
Der Moll-Akkord wird mit einem Grossbuchstaben + ggf. Versetzungszeichen + einem kleinen «m» notiert: Em, Am, Dbm, F#m etc. Er besteht aus einer kleinen und einer grossen Terz – wie der Dur-Akkord, nur umgekehrt. Damit ist der mittlere Ton des Akkords einen Halbton tiefer, als beim Dur-Akkord, und der tiefste und der höchste Ton bleibt gleich.
Beispiel C-Moll:
Sus2 und Sus4 Akkorde
Wenn ein Akkord mit sus2 angeschrieben ist, muss der mittlere Ton noch einen Halbton tiefer angesetzt werden, wie beim Moll-Akkord.
Beispiel Csus2:
Wenn ein sus4 gefunden wird, dann muss der mittlere Ton noch einen Halbton höher gespielt werden, als beim Dur-Akkord. Der sus4-Akkord ist viel bekannter als der sus2 und wird deswegen einfach mit «sus» (ohne 4) abgekürzt.
Beispiel Csus bzw. Csus4:
Verminderte und übermässigte Akkorde
Es kann sein, dass in einem Dur oder einem Moll-Akkord der höchste Ton modifiziert wird. Wenn bei einem Moll-Akkord der höchste Ton einen Halbton tiefer gespielt wird, spricht man vom verminderten Akkord; er besteht aus zwei kleinen Terzen. Wenn bei einem Dur-Akkord der höchste Ton um einen Halbton erhöht wird, spricht man vom übermässigten Akkord; er besteht aus zwei grossen Terzen.
Folgende Notationen könnten dir begegnen:
- Caug, C+, C(#5) – das alles bedeutet, dass beim C-Dur-Akkord anstatt von einem G ein G# gespielt wird.
- Cm7b5, Cø, C°, Cdim, C(b5) – das bedeutet, dass anstatt vom G ein Gb gespielt wird.
Bsp. C übermässigt, also C+ oder Caug:
Bsp. C vermindert, also Cdim oder C°:
Die 6 wichtigsten Akkorde auf dem Klavier – Zusammenfassung
In der folgenden Diagramm ist alles nochmal für dich zusammengefasst:
Hier siehst du, wie der Grundton bei allen Akkorden gleich bleibt, der mittlere Ton je nach Moll, Dur, Sus2 oder Sus4 verschieden ist, und der obere Ton mit dim oder aug nach unten oder nach oben verschoben wird.
In dieser Tabelle siehst du nochmal die verschiedenen Abstände und Notationen:
Akkord-Typ | Notation | Abstand vom Grundton zum mittleren Ton | Abstand vom mittleren zum oberen Ton |
---|---|---|---|
Dur | -keine- | 4 Halbtöne | 3 Halbtöne |
Moll | m | 3 Halbtöne | 4 Halbtöne |
sus2 | sus2 | 2 Halbtöne | 5 Halbtöne |
sus4 | sus oder sus4 | 5 Halbtöne | 2 Halbtöne |
vermindert | dim, °, b5, ø | 3 Halbtöne | 3 Halbtöne |
übermässig | aug, +, #5 | 4 Halbtöne | 4 Halbtöne |
Wo kommen diese Akkorde vor?
Tatsächlich besteht eine grosse Mehrheit der Lieder, besonders in Volksmusik, Rock und Pop, aus Dur- und Moll-Akkorden. Aber nicht alle Lieder sind nur aus Dur- und Moll-Akkorden gemacht! Hier ein paar Beispiele von bekannten Stücken, in denen die anderen Dreiklangtypen vorkommen:
- Das Intro von Crazy Little Thing Called Love von Queen würde ohne den sus4-Akkord nicht funktionieren.
Akkordfolge: D Dsus4 D - Sus2-Akkorde machen einen grossen Unterschied in der Begleitung von Behind Blue Eyes (die Version von «The Who» sowie die neuere von «Limp Bizkit»).
Akkordfolge: Em G6 Dsus2 Cadd9 Asus2 - Das ikonische Lied Michele von den Beatles hat einige übermässige und auch verminderte Akkorde drin.
Akkordfolge Intro: Fm C+ Fm7 Fm6 Dbj7 C
Akkordfolge Strofe: F Bbm7 Eb D° C B° C - Das Lied Oh! Darling von den Beatles fängt sogar mit einem übermässigen Akkord an: E+
Was ist mit den C7, Dm6, G7#9, B13 Akkorden?
Alle anderen Akkord-Bezeichnungen beziehen sich auf sogenannt erweiterte Akkorde. Es sind im Grunde die oben besprochenen Dreiklänge, erweitert zu Vier-, Fünf-, Sechsklängen mit weiteren Tönen. Mehr Töne in einem Akkord erlaubt mehr Kombinationen von verschiedenen Intervallen und ergibt spannende neue, z.T. sehr komplexe Klangfarben. Mehr über Akkorderweiterungen kannst du hier nachlesen: alle Akkorderweiterungen verstehen.
Erweiterte Akkorde richtig vereinfachen
Wenn du Lieder begleiten lernst, macht es keinen Sinn alle Akkorde auf der Welt auf einmal zu lernen. Heisst das, dass Anfänger*innen die Lieder meiden müssen, in denen erweiterte Akkorde vorkommen? Nein. Du kannst die Erweiterungen einfach ignorieren und die vereinfachten Akkorde spielen. Das heisst:
- anstatt vom C7 spielst du ein C
- anstatt vom Dm6 spielst du ein Dm
- anstatt vom G7#9 einfach ein G
- anstatt vom B13 einfach ein B
- usw.
- ACHTUNG: einen A5 bitte NICHT zum A vereinfachen! (siehe unten)
Wenn du ungeduldig bist und alle anderen Akkorde, also auch die erweiterten Akkorde, lernen willst – lies meinen Artikel über die komplette Liste der Akkorde.
Was tun mit E5, D5, A5 und mit D/A?
Es gibt zwei wichtige Sachen, die du bei der Notation der Akkorde beachten musst: die mit der 5 und die mit dem Schrägstrich/Slash. Viele Anfänger*innen machen den Fehler, dass sie die 5 auch weglassen und z.B. anstatt eines C5 Akkords einfach ein C spielen. Das wird in den meisten Fällen falsch klingen, weil ein C5 keine Erweiterung ist, sondern eine Vereinfachung.
Ein C5 ist weder ein C-Dur noch ein C-Moll, sondern ein sogenannter «Power chord», der weder Dur noch Moll ist. Um diesen zu spielen, musst du einfach den mittleren Ton des Akkords weglassen. Du drückst also für einen E5 ein E (oder ein Em) und lässt den mittleren Ton (hier das G# oder das G) weg und schon hast du den Power chord E5.
Beim Schrägstrich handelt es sich um den Basston, d.h. bei der Schreibweise «C/E» spielst du einen C-Dur-Akkord mit dem Ton E als untersten Ton. Du kannst, ohne dass es falsch klingt, den Basston einfach weglassen. Dafür spielst du bei den mit Schrägstrich notierten Akkorden einfach immer den Akkord vor dem Schrägstrich:
- bei einem D/A spielst du D-Dur
- bei einem Em/B spielst du E-Moll
- usw.
Hallo,
für welche Hand gelten eigentlich deine Fingersatz Empfehlungen? Ich habe gemerkt, dass ein guter FS des derselben Akkords nicht unbedingt für beide Hände gut erscheint, weil die Abstände eben anders sind oder?
Oder sollte man das links wie rechts einheitlich halten?
Genau, die Hände sind Spiegelverkehrt, aber die Akkorde nicht, d.h. du musst andere Finger nutzen. In der aktuellen Version vom Fingersatz-PDF sind Empfehlungen für beide Hände drin. Noch mehr empfehle ich aber, je nach Kontext, selbst Fingersätze zu erarbeiten. Siehe hier: https://klavierkrani.ch/fingersatz-erarbeiten/
Zum ersten Mal mit Akkorden auseinandergesetzt und mit dieser sehr verständlichen Erklärung direkt verstanden. Vielen Dank
Vielen Dank für diese Einführung zu den wichtigsten Akkorden. Ich bin Rentner (70), leidenschaftlicher Akkordeonspieler und bemüht in meinem Spiel die Grenze immer ein bisschen nach vorne zu schieben. Diese Beitrag hat mir wieder ein kleines Oha-Erlebnis gebracht. Dafür danke ich Ihnen.