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Verminderter Septakkord – Aufbau und Anwendung

Ein verminderter Septakkord ist ein Vierklang, der nicht nur viel Spannung in sich trägt, sondern auch vielseitig einsetzbar ist. Durch seine einmalige Struktur ist er zudem relativ einfach zu lernen: Während es von den allermeisten Akkorden 12 verschiedene gibt (von jedem der 12 Töne aus gebildet), gibt es nur drei verminderte Septakkorde.

Der Aufbau des (voll)verminderten Septakkords

Der verminderte Septakkord besteht aus vier Tönen, die alle im Abstand einer kleinen Terz geschichtet sind. Die Intervalle der einzelnen Töne in Bezug auf den Grundton sind also:

  • Grundton
  • Kleine Terz / Moll-Terz
  • verminderte Quinte
  • grosse Sext

Die ersten drei Töne sind also dieselben, wie bei einem verminderten Dreiklang oder bei einem halbverminderten Vierklang. Etwas verwirrend ist die Tatsache, dass die Septime genau genommen keine Septime ist, sondern eine grosse Sext. Trotzdem wird der Akkord Septakkord genannt und mit dim7 oder °7 notiert.

verminderter Septakkord G#dim7

Warum es nur drei davon gibt

Beim Bilden der ersten Umkehrung eines verminderten Septakkords nimmt man den untersten Ton eine Oktave nach oben, wobei sich ein Akkord ergibt, der wieder aus drei aufeinander geschichteten kleinen Terzen besteht – wieder ein verminderter Septakkord.

Verminderter Septakkord G#dim7 mit Umkehrungen

Somit besteht z.B. ein G#dim7, ein Bdim7, ein Ddim7 und ein Fdim7 aus denselben Tönen:

Verminderte Septakkorde G#dim7 Bdim7 Ddim7 und Fdim7

Dasselbe gilt für zwei weitere Akkord-Gruppen:

  • Adim7 = Cdim7 = Ebdim7 = Gbdim7
  • Bbdim7 = Dbdim7 = Edim7 = Gdim7

Mit den drei Gruppen aus jeweils vier vollverminderten Vierklängen haben wir alle 12 Grundtöne abgedeckt. Es gibt also sozusagen nur drei unterschiedliche vollverminderte Vierklänge. Der Rest sind Umkehrungen davon.

Vollvermindert vs. Halbvermindert

Der halbverminderte Akkord unterscheidet sich vom vollverminderten Akkord nur durch die Septime: beim halbverminderten ist die Septime (der vierte Ton, sprich die Erweiterung des Dreiklangs) eine kleine Septime, beim vollverminderten ist es eine «verminderte» Septime, eine grosse Sexte.

Halbvermindert vs Vollvermindert

Da man bei einer dim7 Schreibweise einen verminderten (dim) Dreiklang mit einer 7 erwarten würde, muss man aufpassen! Denn ein verminderter Dreiklang (dim) mit einer 7 ist ein halbverminderter Akkord (m7b5), kein vollverminderter (dim7). Zusammengefasst, zum Beispiel:

  • Cdim + 7 = Cm7b5
  • Cdim + 6 = Cdim7

Wie die Spannung zustande kommt

Das Intervall zwischen dem Grundton und der Quint des verminderten Septakkords ist ein sog. «Tritonus», ein Intervall, das alleine bereits viel Spannung enthält. Dieses Intervall sorgt übrigens auch dafür, dass der «normale» Septakkord – d.h. ein Dur-7-Akkord – die Spannung hat, die er hat. Weitere Infos dazu findest du im Artikel über die Auflösung des Septakkords.

Tritonus im verminderten Septakkord G#dim7

Interessanterweise ist das Intervall zwischen der Terz und der Sept des verminderten Septakkords ebenfalls ein Tritonus. Somit erklärt sich die Tatsache, dass der verminderte Septakkord so viel Spannung hat: Er hat zweimal einen Tritonus drin und damit sind alle vier Töne des Akkords Teil der Spannung, die er enthält. Damit wird jeder Ton zu einer «Sprungfeder», die bereit ist, aufgelöst zu werden. Zwei Tritoni im verminderten Septakkord G#dim7 Unnützes Wissen: Die Mehrzahl von Tritonus ist Tritoni 😉

Verminderter Septakkord als Teil des 7b9-Akkords

Spannung in der Musik ist nicht schwarz-weiss, es gibt Akkorde und Intervalle, die mehr oder weniger stark nach einer Auflösung schreien. Im Artikel über die Auflösung des Septakkords kannst du über die drei Dramatik-Level nachlesen. Den 7b9-Akkord bezeichne ich als Drama-Level-3, weil er einerseits sehr viel Spannung hat und andererseits zu jedem der drei Töne des Zielakkords einen Leitton hat.

Und jetzt kommt der Hammer: Wenn du den Grundton des 7b9-Akkords weglässt, resultiert ein vollverminderter Vierklang! In ganz vielen Fällen sind also diese zwei Akkorde quasi austauschbar:

7b9 Akkord vs verminderter Septakkord

Probier’s aus – du wirst merken, dass beide Akkord-Auflösungen sehr ähnlich, wenn nicht sogar gleich klingen.

Wie wird ein verminderter Septakkord aufgelöst?

Im obigen Beispiel haben drei Töne des verminderten Septakkords eine Leitton-Funktion: Der Ton F# will zum G, der Ton A will zum B und der Ton Es will zum D «geleitet» werden.

Leittöne im verminderten Septakkord

Grundsätzlich reicht es aber, wenn du dich um nur einen Ton kümmerst: den Grundton des Zielakkords. Dann nimmst du den Ton darunter und baust darauf deinen vollverminderten Vierklang.

Beispiel: Wir wollen zum D-Dur-Akkord auflösen.

  • Schritt 1: Der Grundton des Zielakkords ist ein D.
  • Schritt 2: Der Ton darunter ist ein C#.
  • Schritt 3: Unser dim7-Akkord ist also ein C#dim7, mit drei weiteren Tönen im Abstand von drei kleinen Terzen: E, G und A#

So sieht unser Beispiel aus:

Auflösung des verminderten Septakkords

Probier’s aus, es klingt nach einer wohltuenden Auflösung ☺️

Vollverminderter Akkord als Zwischendominante

Da vollverminderte Akkorde sehr dramatisch klingen, ist es eine Kunst, sie passend einzusetzen. Wie mit Gewürzen beim Kochen, so auch mit Spannung in der Musik – man kann es übertreiben und das Resultat wird ungeniessbar.

Du kannst aber, wenn auch nur als Übung, jede Akkordfolge um einige verminderte Vierklänge erweitern. Du nimmst also eine beliebige Akkordfolge und fügst vor jeden Akkord einen vollverminderten Akkord hin, sozusagen als Zwischendominante.

Beispiel-Übung mit verminderten Septakkorden

Nehmen wir zum Beispiel den Refrain von Always Look on the Bright Side of Life:

Akkordfolge Refrain Always Look on the Bright Side of Life

Ich habe hier Akkord-Umkehrungen benutzt, damit die Akkorde flüssiger klingen und einfacher zu greifen sind. Wenn du lernen willst, wie das geht, mach bei der Akkord-Challenge mit.

Wir gehen vor, wie oben beschrieben: den verminderten Akkord immer auf dem Ton darunter aufbauen. Wir haben also:

  • Vor dem G einen F#dim7
  • Vor dem Em7 einen D#dim7
  • Vor dem Am7 einen G#dim7
  • Vor dem D einen C#dim7

So sieht jetzt unsere, maximal gewürzte, Akkordfolge aus:

Akkordfolge Refrain Always Look on the Bright Side of Life mit Zwichendominanten

Probier’s aus! Dramatischer kann man die Akkordfolge fast nicht gestalten. Und wenn du die oben genannten Regeln einhältst, werden deine verminderten Akkorde immer richtig klingen. Und der Rest ist Geschmackssache.

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Artemi

Als Klavierlehrer ist Artemi leidenschaftlich dabei, das Know-How um das freie Klavierspiel für alle Tastenbegeisterte frei zugänglich zu machen. Jede und jeder soll Klavier spielen lernen können – kostenfrei und unkompliziert. > mehr über Artemi

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Mag.Walter Tschol

    Ich spiele Gitarre und interessiere mich sehr für die Harmonie und nicht nur für die Melodie.
    Zur Zeit studiere ich ein Stück von Francisco Tarrega "Rosita"(Polka) für Gitarre solo. Herausgegeben von Prof.Luise Walker. Takt Nummer 5. Der Takt beginnt im 1. und 2.Viertel mit D-Dur. Das 3.Viertel beginnt mit dis1 im Bass, darüber das a2 als Melodie. Diese 2 Noten spielt man zugleich. Zwischen a2 und dis1 ist eine achtel Pause. Es folgt eine achtel his1 und darüber fis2. Auch diese 2 Noten sind zugleich zu spielen. Im nächsten Takt folgt ein A-Dur-Akkord mit e1 im Bass. Also ein Quintsextakkord von A-Dur. Ein recht interessanter Wechsel von D-Dur nach A-Dur. Bei diesem Wechsel von D-Dur nach A-Dur verwendet Tarrega dis1, his1, fis2 und a2. Lautet der Grundakkord hier vielleicht his, dis, fis und a? Wäre das ein halb- oder ganz verminderter Septakkord? Können Sie mir bitte mitteilen wie hier die richtige Auflösung D-Dur nach A-Dur mit diesem Septakkord richtig lautet?
    Mit folgendem Link könnten, wenn Sie Zeit haben die Gitarrenoten zu "Rosita" ansehen.
    Ich danke Ihnen im voraus für Ihre Mühen. Sie würden einem Gitarristen, der 82,5 Jahre alt ist eine grosse Freude bereiten.
    Mit besten Grüssen aus Tirol
    Walter Tschol

    1. Artemi

      Lieber Walter
      Was du vor dir hast ist ein vollverminderter Vierklang (dis his fis a), der ganz klassisch als «Überbau» verwendet wird, um den D-Dur-Akkord dramatischer zu gestalten. Man kann den Akkord, wenn man den Grundton D dazunimmt, als D7b9 deuten: D F# A = D-Dur; C(his) ist die 7, D# ist die b9. Eine Auflösung in diesem Sinne würde aber nach G-Dur oder G-Moll gehen, nicht nach A-Dur. Ich habe gerade keinen Zugang zu den Noten, aber wenn dort wirklich ein A-Dur folgt, ist das durchaus eine interessante Akkordwahl 🙂

  2. Kalle Braun

    Hallo,
    das 3. Intervall bezogen auf den Grundton ist keine große Sext sondern tatsächluch eine verminderte Septime (daher auch der Name). Anderfalls wäre ja das letzte Intervall keine kleine Terz sondern eine übermäßige Sekunde und die daraufolgende Terz, die uns wieder zum Grundton bringt, dann eine doppelt verminderte Quarte, was den zyklischen Charakter der Terzschichtungen enharmonisch durcheinander bringt.
    Wäre das 3. Intervall bezogen auf den Grundton eine große Sext, müsste im ersten Beispiel das F als Eis geschrieben werden und der Schneemann hätte einen hängenden Kopf (mit #).

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