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4 Chords – 4 Akkorde, die (doch nicht) alles können

Ja, die berühmten 4-Akkorde-Lieder… spätestens seit der Erfindung der Gitarre, mit der man den Gesang auf einfache Art begleiten kann, sind unzählige Werke entstanden, die auf wenigen einfachen Akkorden basieren. Unter allen möglichen Kombinationen der Akkorde gibt es eine Akkordfolge, die besonders heraus sticht: die bekannten 4 Chords – 4 Akkorde, die wir uns gleich unter die Lupe nehmen.

Das 4-Chords-Medley, das du kennst

Richtig popularisiert wurde diese Akkordfolge (zumindest im Internet-Zeitalter) durch das ausgeklügelte Medley von Axis of Awesome aus dem Jahre 2011:

Dieses ehrenwerte Werk feiert sozusagen gerade das 10-Jahres-Jubiläum mit knapp 45 Millionen Views.

Alles nur geklaut?

Ob Axis of Awesome selbst auf die Idee gekommen sind oder nicht, sei dahingestellt. Unumstritten ist jedoch, dass sie nicht die ersten sind, die Stücke mit diesen 4 Akkorden aneinandergereiht haben.

Der Bühnen-Comedian Rob Paravonian hat 5 Jahre vor Axis of Awesome dasselbe Medley, sogar mit noch diverseren Stücken, live präsentiert. Dabei geht es weniger um die Anzahl der Lieder, die nacheinander gespielt werden, sondern um die Geschichte, wie er als Kind Cello spielte und seitdem dem verhassten Bass-Lauf von Pachelbels «Kanon in D» nicht mehr entkommen kann, weil diese Akkorde eben in so vielen Stücken vorkommen… ein wahres Kunstwerk:

 

Warum haben alle Lieder dieselben Akkorde?

Um diese Frage richtig zu beantworten, müssen wir den Unterschied zwischen Stufen und Akkorden verstehen. All die Lieder, die sich so gut aneinander reihen lassen, haben eigentlich nicht zwingend dieselben Akkorde, sondern dieselben Stufen.

Ich mache den Vergleich mit Kochen: Beim Kochen gibt es relative und absolute Mengenangaben. Die Angabe «1 Tasse Reis auf 2 Tassen Wasser mit 1 Teelöffel Salz» ist relativ. Sie gibt dir die Verhältnisse an, die gut miteinander funktionieren. Die Angabe «3 Tassen Reis + 6 Tassen Wasser + 1 Esslöffel Salz» ist eine absolute Angabe; sie sagt, was du tun musst, um für 6 Personen Reis zu kochen.

So ist es mit den Stufen und den Akkorden. Stufen sind relative Angaben, sie geben an, wie die Akkorde zueinander stehen, egal in welcher Tonart. Akkorde geben hingegen genau (absolut) an, welche Töne gespielt werden sollen.

Die Songs müssen transponiert werden

Schauen wir uns zum Beispiel zwei Lieder an, die im oben erwähnten Medley vorkommen:

Let It Be von den Beatles fängt an mit den Akkorden

C G Am F

With or Without You von U2 fängt an mit

D A Bm G

Es sind auf den ersten Blick überhaupt nicht dieselben Akkorde! Aber: Transponiert (verschiebt) man den zweiten Song um einen Ganzton nach unten, kommen wir auf dieselben Akkorde:

  • Ein D, einen Ganzton tiefer gespielt, ist ein C.
  • Ein A, einen Ganzton tiefer gespielt, ist ein G.
  • Ein Bm, einen Ganzton tiefer gespielt, ist ein Am.
  • Ein G, einen Ganzton tiefer gespielt, ist ein F.

Die Lieder müssen also in der (absoluten) Tonhöhe aneinander angeglichen werden, damit man überhaupt erkennt, dass sie sich derselben Stufenakkorde bedienen.

Die Stufen, die hier benutzt werden, sind I, V, vi und IV. Wenn du mehr über Stufenakkorde lernen willst, mach bei der kostenlosen Akkorde-Challenge mit:

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Kann ich jetzt all‘ die 4-Chords-Lieder spielen?

Nicht alle der in den oben erwähnten Medleys vorkommenden Lieder sind richtige 4-Akkorde-Lieder. Im Song Let It Be zum Beispiel kommen im zweiten Teil der Strofe und auch im Refrain ganz andere Akkorde vor, oder dieselben Akkorde in einer anderen Reihenfolge.

Andere Songs können tatsächlich ganz von Anfang bis Schluss gespielt werden mit nur den erwähnten vier Akkorden im Loop. Ein Beispiel dafür ist Where Is The Love von Black Eyes Peas.

Gibt’s noch andere solche Akkordfolgen?

Es gibt viele Akkordfolgen, die sehr oft benutzt werden und in vielen Stücken vorkommen. Ist ja auch logisch, denn es gibt innerhalb einer Tonart nur 7 Stufen. Man hat also praktisch immer nur eine Auswahl aus 7 verschiedenen Akkorden vor sich, wenn man eine Akkordfolge bauen will.

Eine Akkordfolge, die mich immer wieder aufs Neue inspiriert, ist

vi I V II

Das heisst zum Beispiel die Akkorde

Em G D A

Sie kommt ebenfalls in sehr sehr vielen Stücken vor und es wurden auch einige Medleys daraus gemacht. Siehe z.B. ein Medley von (wer sonst) Axis of Awesome oder von zwei Typen auf YouTube, die niemand kennt, die aber wissen, was sie tun. Es gibt sogar ein Erklär-Video dazu, wie diese Akkordfolge zustande kommt (auf Englisch) hier.

Mir kommen sogar einige Lieder in den Sinn, die bei diesen Medleys gar nicht benutzt wurden, wie z.B. Hero von Elizaveta, Time von Hans Zimmer oder New Divide von Linkin Park. Vielleicht sollte ich auch mal ein Medley daraus machen…

Ein Exkurs ins Dorische

Was ich an dieser Akkordfolge vor allem spannend finde ist, dass sie eigentlich nicht ganz in der Tonart ist. Wenn man vom ersten Akkord als «Grundakkord» ausgeht, müsste die Akkordfolge in der Tonart E-Moll sein. Das trifft für die ersten drei Akkorde zwar zu, jedoch wäre der vierte Akkord eigentlich ein A-Moll (weil der Dreiklang auf Stufe zwei immer ein Moll-Dreiklang ist). Die Tonart E-Moll hat nur ein Kreuz und ein Dreiklang auf dem Ton A müsste aus den Tönen A+C+E bestehen – die Töne von A-Moll. Die Akkordfolge wäre also:

Em G D Am

Jedoch haben wir hier statt einem Am einen A-Dur-Dreiklang, bestehend aus den Tönen A+C#+E. Und das macht es meiner Ansicht nach spannend. Es handelt sich hier nämlich, trotz des «fremden» Tons C# nicht um einen Tonartwechsel, sondern um einen anderen Modus. Wir haben hier nicht die normale E-Moll-Tonleiter vor uns…

E F# G A H C D E

…sondern die sogenannte E-dorisch-Tonleiter:

E F# G A H C# D E

Dorisch ist einer der fünf weiteren Modi, die es neben Dur und Moll noch gibt. Stücke werden meistens in Dur oder Moll geschrieben, diese «anderen» Modi werden seltener benutzt. Dorisch ist dennoch oft anzutreffen wie z.B. in Volksliedern wie Greensleeves oder vielen Jigs und Reels aus Irland; oder in Rock-Liedern wie Riders on the Storm von The Doors, Mad World von Tears for Fears oder Get Lucky von Daft Punk.

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Artemi

Als Klavierlehrer ist Artemi leidenschaftlich dabei, das Know-How um das freie Klavierspiel für alle Tastenbegeisterte frei zugänglich zu machen. Jede und jeder soll Klavier spielen lernen können – kostenfrei und unkompliziert. > mehr über Artemi

Dieser Beitrag hat 5 Kommentare

  1. Chris

    Hallo Artemi,
    ist die II bei der Akkordfolge vi I V II nicht ein Am ?

    Also Em G D Am.

    Grüße

    1. Artemi

      Hallo Chris
      Nein eben nicht, das ist genau der Witz an dieser Akkordfolge. Von der Tonart her wäre normal die zweite Stufe ein Moll-Akkord, das hast du richtig erkannt 😉 Aber wenn man ihn durch einen Dur-Akkord ersetzt, entsteht etwas Besonderes. Genau genommen (falls du das googeln willst), sind wir hier nicht in Moll, sondern in Dorisch. Dorisch ist eine Moll-Variante, in der die sechste Stufe erhöht wird. Die A-Dorisch Tonleiter ist also z.B. A H C D E F# G. Daraus resultiert unter anderen, dass der Akkord auf der zweiten Stufe (von Dur aus gezählt…) ein Dur-Akkord wird. C-Dur -> zweite Stufe = Dreiklang von D aus -> Töne D + F# (anstatt F) + A -> D-Dur-Akkord (anstatt ’normal‘ D+F+A = Dm).

      1. Chris

        Danke für die Erklärung 👍

  2. Roland Vitzthum

    "Dorisch" bezeichnet unser Chorleiter auch als "harmonischen Moll". Der Halbtonschritt liegt dabei nicht zwischen dem 5. und 6., sondern zwischen dem 6. und 7. Ton.

    Ist es nur eine andere Bezeichnung, oder gibt es da einen Unterschied? Die normale A-Moll-Tonleiter hat keinen Zwischenton, A-Dur enthält dagegen die 3 Zwischentöne Cis, Fis und Gis.

    A H C# D E F# G# A. Ich habe auch eine Komposition in A-Dur erstellt und die Akkorde (4-stimmig) entsprechend angepasst! Beispiel: C# E C# A. Das 1. erste C# für Alt, das E für Sopran, das 2. C# für Bass und das A für Tenor. 4-er-Akkorde findet man in allen 4-stimmigen Chorsätzen in unterschiedlicher Höhe und Stufen.
    Interessant für neue Kompositionen.

    1. Artemi

      Lieber Roland
      Harmonisch Moll ist NICHT dasselbe wie Dorisch. Das sind zwei unterschiedliche Tonleitern, wie du auch schreibst – der erhöhte Ton ist nicht am selben Ort. Sie klingen auch ganz anders und es ergeben sich auch andere Akkorde daraus. Im harmonisch Moll wird die fünfte Stufe zu einem Dur-Akkord, was ganz viel Drama und Melancholie kreiert. In Dorisch wird die vierte Stufe Dur, das macht die Musik eher «heroisch» und optimistisch (trotz Moll).

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